Sonntag, 10. Juli 2011

Reinhold Koehler: Gedichte & Contratexte


Koehler, Reinhold: Gedichte & Contratexte. 1940-1970
Hrg.: Walter Israel, Angela Koehler, Wolfgang Zemter

Druckverlag Kettler 2009, 117 Seiten
ISBN 978-3-86206-003-0



Kategorie: Buchstabenpalindrome
Art: Wortschöpfungen, gespiegelt
Empfehlung: für Liebhaber experimenteller Lyrik
Wertung: Rarität (limitierte Auflage)



Als Band 2 der auf sechs Bände geplanten Ausgabe "Reinhold Koehler - Das Werk" bildet dieses Buch aus dem vielseitigen und umfangreichen Schaffen des Malers, Grafikers, Objekt-Künstlers und Schriftstellers das lyrische Spektrum ab und führt von der frühsten Lyrik aus Kriegstagen zu Naturgedichten und Sonetten in der Nachkriegszeit über skulpturale Texte bis hin zu den Contratexten:

Inhalt:

- EXTENSIV (1966-1970)
- INTENSIV (1966-1970)
- REINHOLD KOEHLER - LYRIK TEXTE CONTRATEXTE
  Einleitung von Walter Isreal
- ZUR APOKALYPSE DES WINTERS 1941-1942
  Aus "Gedichte bis 1950"
- NATURA NATURA
  Aus "Gedichte bis 1950"
- SONETTE AN LI-TAI-PO (1945-1951)
- SKULPTURALE TEXTE (1954-1958)
- EIN REGEL LEGER NIE - CONTRA-TEXTE IN X LEKTIONEN, 1968
- ART NOCH CONTRA - CONTRATEXTE ANDERER TEIL, 1968
- CONTRATEXTE DRITTER TEIL (1966-1970)
- ALPHA (1966-1970)
- Biographie Reinhold Koehler
- Schriften / Literatur zu Schriften
- Literatur zur Einleitung
- Impressum


Aus der Einleitung von Walter Israel (S. 22f):

"Die Palindrome der Contratexte spielen inhaltlich durchaus vielsinnig. Schon wenn das Titel-Palindrom der X Lektionen systemwidrig und ironisch formuliert:

EIN REGEL LEGER NIE

Da spielen traditionelle Alltags-Palttitüden:

LESE ESEL
EHE WEHE

kindliche Umkehr-Identitäten:

ATA ATA
IMI IMI
EDE EDE

wie nachdenkenswerte Erkenntnisse:

PURISMUS SUM SIRUP
NIE EIN

Auffällig, die vielen, als Zeitzeichen, als politische Aufklärung, Contra-Haltung zu interpretierenden Palindrome:

OPA APO
TOR ROT
XERXES SEX REX
HOSIANNA ANNA IS OH
SINE POLIS SILO PENIS
SINE PO O PENIS

Emanzipativ-vieldeutigen Zeitgeist spiegeln auch gerade die vier letzten Palindrome der X Contratexte von 1968 wieder. Sie bestätigen noch einmal die These von den Contratexten als artifizielle Sprachspiele, aber auch als Sprachspiele mit einigen Contra-Gehalten in den Tagen der "Studenten-Bewegung", wie:

LAGE EGAL
REGEL LEGER
OPTIMALES SELA MIT PO
TRABT IM TRAB BART MIT BART


[...] Reinhold Koehlers Experimente in Sachen Lyrik, Text-Komposition finden in den Contratexten ihren Höhepunkt. Hier generiert Poesie zu Bild und Ikonik, zur visuellen Poesie von Format. Hier wird der einstige Lyriker, surreale Poet und Monologist der 50er Jahre zum reflektiven Text-Architekten, zum Wort-Kompositeur mit Originalität. Reinhold Koehler, eine Doppelbegabung, der neben seinen doch wohl großen Erfolgen als Maler nun auch als Poet, als Schriftsteller, als Textproduzent von Contratexten im Rahmen der Szene konkreter, visueller Poesie auftaucht und zusammen mit Theoretikern, Mitpoeten, Freunden des gleichen Kunstgenres wie Bense, Döhl oder natürlich Heissenbüttel, einen authentischen und anerkannten Stellenwert sucht und findet. Wobei der frühen Tod (1970) alles, trotz erster Veröffentlichungen von Contratexten (1968), eminent verschwierigt."



Herzlichen Dank an Angela Koehler für die freundliche Zurverfügungstellung dieses Buches!