Mittwoch, 11. Juli 2007

Ada Fischer: Mord in Palindrom


Fischer, Ada: Mord in Palindrom
Amöben-Presse o.J. [ca. 1970], 34 Blätter
mit sechs Grafiken von Horst Pitzen und
einem Vorwort von Eugen Gromringer




Kategorie: Buchstabenpalindrome
Art: Wort- und Satzschöpfungen
Empfehlung: für Liebhaber experimenteller Lyrik
Wertung: Rarität (Auflage nahezu vergriffen)


"Wer Dromedare ohne Mordgedanken sehen kann, kann glücklich sein, denn er ist kein Spiegelwortsucher. Ich aber schleiche mich von hinten an diese kamelhaarfarbenen Geschöpfe an und sehe : gerade mord

DROMEDARE g ERADEMORD

Durch dieses Orienttier habe ich Sie nun schon etwas orientiert - ins Spiegelbild gesetzt." schreibt Ada Fischer im Nachwort. In ihren Palindromtexten mischt sich solch bedachtsames Anpirschen

flehe behelf
not ton
egal plage
ein trostort nie
eine freude duerfe nie
nie mein amora aroma nie mein
nun
adresse siam maisesser da
rundnur
klovolk
(aus "reiznunedenunzier")


mit tänzelnden, lautmalerischen Elementen:

hallohollah
zopfpoz
tütüt
hangnah
allotrihirtolla
tüdelit tiledüt
sapserelot tolerespas
faschingnischaf
ppotztopp
hulloholluh
(aus "alkoholohokla")

Eine bemerkenswerte Kombination, bedenkt man, dass der Spiegelsprache an sich jede Form von Impulsivität fremd ist. In ihrem zeitlupenhaften Buchstabieren verfliegt alles Leichtfertige: gibt es kein Dahersagen, nichts Unüberlegtes. Wie in den ordnenden Händen eines Schriftsetzers fügt sich alles erst nach und nach zum fertigen Gebilde. Ada Fischer gelingt hier das Kunststück, diese Gesetztheit der Palindrome für Augenblicke vergessen zu machen.

Über Ada Fischer (1909 - 1994):
  • geb. Lueg, ist die Mutter des Malers und Galeristen Konrad Fischer (1939 - 1996)
  • Brigitte Kölle schreibt in ihrer Doktorarbeit über dessen Leben und Werk:
    "Ada Fischer, deren Mädchennamen "Lueg" Konrad Fischer später als seinen Künstlernamen verwendet, ist bei der Geburt ihres Sohnes 30 Jahre alt. Sie stammt aus einer großbürgerlichen und angesehenen Familie, in der sowohl ihr Vater (Paul), als auch ihr Großvater (Carl) und Urgroßvater (Wilhelm) als Direktoren der Gutehoffnungshütte in Oberhausen tätig waren. Die heutige "Lueg-Allee" und der "Lueg- Platz" in Düsseldorf-Oberkassel sind nach Heinrich Lueg, einem Großonkel von Ada, benannt. Er war ein Düsseldorfer Stadtverordneter, der den Bau der Oberkasseler Brücke betreute und die Rhein-Bahn mitbegründete. Nach einem Studium an einer Kunstgewerbeschule führt die Mutter Ada den Haushalt der Familie. Sie liest viel, beispielsweise Werke von Arno Schmidt, sie löst Kreuzworträtsel, und schreibt selbst: Geschichten, Gedichte, und (zu allen Gelegenheiten) Palindrome. Sie ist eine humor- und temperamentvolle Frau, offen und künstlerisch interessiert."1
Außer den Palindromen blieb der Nachwelt nichts von Ada Fischer überliefert. Besonderer Dank gebührt daher Michael Weisser, dem Gründer der Amöben-Presse, dessen Erinnerungen halfen, nach fast 40 Jahren auch den Mensch hinter den Worten wiederzuentdecken.

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1 in Brigitte Kölle: Die Kunst des Ausstellens. Untersuchungen zum Werk des Künstlers und Kunstvermittlers Konrad Lueg / Fischer (1939-1996), S. 18 - Doktorarbeit, 2005, Uni Hildesheim (hier als PDF-Dokument 3,7 MB)