Mittwoch, 25. Juli 2007

Hans Jakob Christoffel Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus


Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel: Der Aus dem Grab der Vergessenheit wieder erstandene Simplicissimus; Dessen Abentheurlicher/ und mit allerhand seltsamen Begebenheiten angefüllter Lebens-Wandel : Auf eine gantz ungemeine/ und jetzo zum zweyten mal viel-vermehrte anmuthige Schreib- und Lehr-Art
Nürnberg, Felßecker 1685





Kategorie: Buchstabenpalindrome
Art: Erwähnung

Aldalbert von Keller, ein deutscher Germanist, hat Mitte des 19. Jahrhunderts verschiedene Textfassungen vom Simplicissimus verglichen und die mannigfaltigen Ergänzungen und Abweichungen zum Erstdruck von 1668 dokumentiert. In diesem Stammtext, wie er u.a. im Projekt Gutenberg zu finden ist, spielt Simplicissimus an einer Stelle im Wald Dudelsack und lockt dadurch eine Horde Soldaten an, die über ihn herfallen. Im 3. Kapitel heißt es:
"Hoho, gedachte ich, dies sind die rechten Käuz! dies sind die vierbeinigten Schelmen und Dieb, davon dir dein Knan sagte, denn ich sah anfänglich Roß und Mann [ ] für ein einzige Kreatur an, und vermeinte nicht anders, als es mußten Wölfe sein"1
Nach Keller führt die Textversion der hier vorgestellten Ausgabe von 1685 in diesem Zusammenhang weiter aus:
"Kein schöneres und mit der Wahrheit ähnlicheres oder einstimmigeres gleichnüs hätte allhier der redliche Simplicissimus finden und hervor suchen können, als dieses: Daß er das rauberische und Beudmachende Soldaten-Gesind, mit den Wölffen vergleichet, und selbige dafür angesehen zu haben meldet. Dann so unbarmhertzig und rauberisch kan nimmermehr ein Diebischer Wolff seyn, daß sie es nicht zehen mal ärgen machen. Weilen der Wolf gar selten über ein Schaaf, von der Heerde verletzet, und darvon träget, diese Wölffe aber oft eine gantze Heerde zugleich mit einander stehlen und wegtreiben. Jener der vierbeinige Wolff, lässet sich noch auff unterschiedliche Arten und Manieren schichtern und abtreiben, diese zweybeinigen Wölffe aber sind ärger als die Sperber, Geyer, und Stoß- oder Raub-Vögel, ja, welche auch offt wie die Raben, was sie nur finden und antreffen, hinweg stehlen und mit gehen heissen. Sie sind begierig, lauschend, listrend, vielfrässig, und unbarmhertziger als die natürlichen Wölffe. Ihren Namen führen sie gar selten oder doch die wenigsten in der That, dass sie Soldaten heißen, weilen sie auch gar wenig Thaten um ihren Sold, ja offt wol gar keine Thaten thun. Sondern sich nur auff das diebische Raub-plünder und Beid-Leben legen, wie dann auch das Wort Beid (welches bey ihnen ehrlich erworben heisset) ein jeder unmaßgebig selbst zurück lesen, oder buchstabiren mag, so wird er bald sehen, was für ein Teutscher Nach-Klang, Wort- oder Wohl-Laut heraus kommet. Und dieses ist es allhier, waß Simplicissimus in seiner Sa[G1]tyrischen Wolfs Meinung, andeuten oder zu verstehen geben wollen.
Wer unter solche Wölffe fället,
Mit deme ist es schlecht bestellet,
Sie werden mit ihm ungleich theilen,
Und wann sie sich genug geraubet,
Und alles sauber auffgeklaubet,
Fein wider aus dem Schaafstall eilen,
Am bestens wärs in solchen Fällen,
Eine steiffe Hundes-Hatz anstellen,
Absonderlich bey diesen Zeiten,
Daß man sie allzusam rottirte,
Und wacker widern Türcken führte,
Mit diesem Grimmen Hund zustreiten,
[H16.K16] Da könnten sie genug erbeiden,
Und auch noch wacker Ehr erstreiten,
Ach, daß doch Teutschland munder wäre!
Und brauchten also ihre Knechte,
Und jeder Soldat tapfer fechte,
Für GOttes und des Käysers Ehre!"2

(Hervorhebung in grün von mir, eckige Klammern = Nomenklatur bei Keller)
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1 3. Kapitel im Online-Text im Projekt Gutenberg-DE
2 Keller, Adalbert: Der abenteuerliche Simplicissimus und andere Schriften von Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen. Stuttgart: litterarischer Verein, 1854, S. 43